Dem St. Rochus hatten die Uderner seinerzeit, da er ein Plagheiliger gegen die Pest ist und weil unser Landl um die Mitte des 14. Jahrhunderts so schwer von der Pest heimgesucht war, in der Plunggenkapelle eine Herberge gegeben, auf dass er sie hinfort schützen sollte vor dem schwarzen Tod.
Die Menschen aber sind nun einmal undankbare Geschöpfe, die wohl zu bitten verstehen, wenn es die Not erfordert, meist aber auf‘s Danken vergessen, wenn die Gefahr glücklich abgewendet ist von ihren Hütten.
So mag es wohl auch in Uderns geschehen sein. Die nunmehr erwachsenen Kinder dachten nicht mehr daran, dass sie der Fürsprache des hl. Rochus Leben und Gesundheit verdankten, und die Plunggenkapelle geriet mehr und mehr in Vergessenheit. Der Zahn der Zeit begann daran zu nagen, die Mauern wurden brüchig und die Schindeln faul, sodass der Regen durch das Dach tropfte und der Wind durch alle Fugen blies.
Da wurde es dem Heiligen endlich zu dumm, und weil sich niemand um seine baufällige Behausung kümmerte, machte er sich eines schönen Tages selber auf den Weg zum Kirchenpfleger. Dieser war wohl ein wenig betroffen über den seltenen Besuch und versprach bereitwillig um Abhilfe, um ihn loszuwerden. Und St. Rochus ging befriedigt in seine Kapelle zurück. Aber er wartete umsonst darauf, dass jemand käme und seine Stätte in Ordnung brächte. Rein gar nichts rührte sich. Darum ging er nach vier Wochen abermals zum Kirchenpfleger und trug sein Anliegen vor.
„Ja, ja“, brummt dieser, „wir werden schon kommen. Lass uns grad noch das Heu einbringen, so lang das Wetter schön ist!“
„Das hat gar keine Eile“, erwiderte St. Rochus darauf, „ es bleibt jetzt ohnehin längere Zeit schönes Wetter.“
Das aber hätte er nicht sagen sollen, denn der Bauer dachte sich nun im Stillen: „Den lass ich mir noch öfter kommen. So einen guten Wetterpropheten bekomm ich nimmer!“
Auf diese Weise wurde es Winter, und die Plunggenkapelle war halt noch immer nicht ausgebessert worden. Mit bekümmertem und verbittertem Herzen über die Undankbarkeit der Menschen wandelte der Heilige zum dritten Male ins Dorf und wiederholte seine Bitte.
„Richtet mir doch wenigstens das Dach ein bissl her“, hielt er dem Pfleger vor. „Es schneit mir ja sonst herein!“
„Lieber Rochus“, beeilte sich dieser, „sei uns nicht böse, dass wir bis jetzt nichts machen konnten. Es ist halt immer so viel zu tun bei einem Bauern. Jetzt ist es aber ganz gewiss bald soweit, dass wir an diese Arbeit gehen können. Musst dich nur noch ein wenig gedulden, bis wir das Holz geschlagen haben.“
„Inzwischen kommt die Pest und schmeißt euch alle in die Grube!“,
rief ihm da St. Rochus entgegen und verließ auf der Stelle das Haus.
Aber schon am nächsten Tag kamen die Leute mit Werkzeug aller Art und begannen die Kapelle wieder aufzurichten und herauszuputzen, dass sie sich sehen lassen konnte. Und es war höchste Zeit gewesen; denn noch einmal kam der schwarze Tod ins Land. St. Rochus aber war mit den Udernern wieder versöhnt, und seiner Fürsprache verdankten sie es abermals, dass die Seuche nur ganz wenige aus ihren Reihen dahinraffte.
Aus: M. Stock, „Zillertaler Geschichten“