Ein verpasster und „verpatzter“ Schulausflug in meinem vorletzten Schuljahr im Frühjahr 1942
von Sepp Rauch, Zell am Ziller
Ja, dieser verpasste Schulausflug sollte für uns zwei Abtrünnigen, Stöckl Rudl und speziell für mich, unter keinem guten Stern stehen. Warum wohl? Das will ich kurz zusammenfassen.
Der Ausflug war von unserer Schulleiterin Frau Maria Schneider zum Gschößwandhaus geplant. Rudl und ich besaßen aber einen anderen Plan, denn wir hatten denselben Ausflug schon zwei Jahren zuvor mit dem damaligen Volksschuldirektor Hans Voppichler gemacht. Wir sprachen mit der Lehrerin und baten sie, ob sie uns von diesem Ausflug befreien möchte, denn wir würden lieber unsere Väter besuchen, die beide im Tuxer Magnesitwerk arbeiteten.
Mein Vater war beim dortigen Bergbau als Etagenmeister beschäftigt. Tatsächlich bekamen wir die Erlaubnis, da wir beide als gute Schüler bekannt waren, nicht wissend aber, dass besonders mir diese Nichtteilnahme noch große Sorgen bereiten sollte.
Meine Mutter hatte für meinen jüngeren Bruder Max bei der Firma „Kastner und Öhler“ einen Trachtenjanker bestellt. Meinem Bruder war dieses Kleidungsstück etwas zu groß, und so durfte ich dieses anziehen. Wir machten uns auf den Weg und hielten beim „Aschtbergbrunnen“ kurz Rast, um uns zu erfrischen. Ob ich vor dem Weitermarsch meinen Janker wieder am Rucksack befestigt habe, muss mir wohl entgangen sein. Unser Weg führte uns weiter über die „Hobrug Asten“, die Möser und Naudis Almen sowie auf die Schrofenalm. Hier waren wir schon im Werksbereich mit den ersten Gebäuden. Als wir am Kantinengebäude vorbei gingen, entdeckte uns ein Hund, der bellend und kläffend auf uns zulief. Wir ergriffen dummerweise die Flucht. Rudl war schneller als ich. Ich spürte, dass mich diese Bestie beim nächsten Sprung erwischt hatte. Ich blieb abrupt stehen und begab mich in Abwehrstellung. Der Hund machte noch einen Jauler, klemmte seinen Schwanz zwischen die Beine und lief davon.
Meine nächster Gedanke war, dass es das Dümmste sei, von einem Hund davonzulaufen, denn dieser ist immer schneller! Seit diesem Zeitpunkt habe ich die Angst vor Hunden verloren.
Das war aber auch das einzige positive Erlebnis an diesem Tag. Meine Einstellung gegenüber Hunden hat sich von da an grundlegend geändert. Wenn ich später eine solche Begegnung hatte, sprach ich das Tier mit ruhiger Stimme an: „Ich fürchte mich nicht vor dir, ich tu dir auch nichts“. Das hat oftmals schon genügt, und der Hund fing an mit dem Schwanz zu wedeln, ein sicheres Zeichen, dass zwischen uns Frieden herrscht.
Doch zurück zu diesem Ausflug. Das Wetter hatte sich mittlerweile etwas verschlechtert und es war an der Zeit, dass wir unsere Jacken anzogen. „Au wei, meine Jacke hing nicht mehr am Rucksack, wo mag ich diese wohl verloren haben?“ Mit einem schlechten Gewissen trafen wir bei meinem Vater‘s Arbeitsplatz ein. Seine erste Frage war, wo ich denn meine Jacke habe. Seine Aufforderung an uns war, dass wir sofort denselben Weg zurückgehen. Die ganze „Sucherei“ war aber umsonst, das Kleidungsstück war unauffindbar.
Das voraussehbare Donnerwetter meiner Mutter hat meinen Gemütspegel auch nicht steigen lassen. „Für eine erneute Suche ist es heute schon zu spät, es wird bald finster“, meinte meine Mutter. „Ich werde dir für morgen eine Entschuldigung für dein Fehlen beim Unterricht schreiben und du machst dich auf die Suche“. Mein Schlaf in dieser Nacht war nicht gerade der beste, denn der Wert eines solchen Kleidungsstückes war mir bewusst. Die Mutter mahnte mich, ich soll fest an den „Heiligen Antonius“, den Schutzpatron, beten.
Der nächste Morgen brachte auch noch eine unliebsame Überraschung. Kurz nach Aufbruch zur Suche fing es an zu schneien, was meine Hoffnung schwinden ließ. Der Schneefall hörte nicht auf und so beendete ich meine erfolglose Suche. Zur Mittagszeit kehrte ich nach Hause zurück, meine Stimmung war im tiefsten Keller und ich wäre am liebsten in so einem Loch verschwunden.
Als ich die Küche betrat, der Mutter ihr Lächeln sah und sie auf einen Kleiderhaken zeigte, auf dem das verloren geglaubte Stück hing, fiel mir ein Stein vom Herzen. Unser Nachbar, der „Häusl Friedl“, der den Aschtberg-Stall gepachtet hatte, sah den Janker am Tränktrog liegen, wo wir am Vortag unsere Rast gemacht hatten.
Somit hat mein verpatzter Schulausflug durch mein Beten zum Heiligen Antonius doch noch ein gutes Ende gefunden und ich habe für mein späteres Leben so manches gelernt!“