Ich kann mich noch gut erinnern, als schon bald nach der Gründung der Zillertaler Zeitung Rauch Sepp mit einigen Blättern in der Hand zur Tür herein kam und meinte: „Ich hab da ein paar Erlebnisse aus meinem ereignisreichen Leben aufgeschrieben. Wäre das nichts für die Zillertaler Zeitung?“ „… und ob“, war meine erste Reaktion. Denn ich kannte Sepp und seine bildhaften Geschichten schon seit einigen Jahren und mir war auch sofort klar, dass es vielen LeserInnen der Zillertaler Zeitung genauso ergehen würde wie mir.
Mittlerweile sind nun schon wieder einige Jahre ins Land gezogen und viel hat sich in dieser Zeit verändert. Nur Sepp „scheints“, ist immer noch der gleiche. Er schreibt, erzählt Geschichten und ist sogar in Sachen Politik und Weltgeschehen immer noch up to date. Ein „Phänomen“ eben – und das mit 95 Jahren. Da kann man es auch verschmerzen, dass er kürzlich seinen Führerschein „abgeben durfte :-)“ und deshalb jetzt nicht mehr ganz so mobil ist.
Aber lassen wir Sepp, der am 4. März 1929 am Brindlinghof in Ramsau das Licht der Welt erblickte, selbst ein wenig aus seinem Leben erzählen:
„Meine Eltern übersiedelten mit fünf Kindern und zwei Ziegen 1935 vom Gattererberg nach Finkenberg zum „Durler in der Au“ und am 2. Mai 1935 trat mein Vater seine Arbeitsstelle im Magnesitwerk an. Der Weg zu seinem Arbeitsplatz war sehr weit. Es galt jeweils mehr als zwei Stunden hin und zurück zu bewältigen. Auf einem dieser Wege traf er die „Krapfenwirtin“. Sie bot ihm am Innerberg eine Wohnung an und so konnte er sich damit zwei Drittel seines täglichen Weges ersparen. Dort wohnten wir dann bis zur Fertigstellung unseres eigenen Hauses im September 1952.
Im Herbst 1935 wurde ich in der Volksschule Finkenberg eingeschult und konnte die Schulzeit im Frühjahr 1943 mit einem super Zeugnis abschließen. Auch während der Schulzeit hatte ich schon Zeitvertreib genug, Schulgewand ausziehen, essen, Hausaufgabe machen, dann suchte ich meinen älteren Freund, den Krapfen Sepp auf. Der Sepp hatte nämlich immer eine Beschäftigung für mich. Bei schönem Wetter bei der Feldarbeit und bei schlechtem Wetter in der Werkstatt. Auch um die Pferde kümmerte ich mich gerne. Der Sepp brachte mir auch viel handwerkliches Geschick bei, und so war es nach Schulschluss naheliegend, dass dies mein zukünftiger Arbeitsplatz sein wird.
Am 1.9.1939 begann der fürchterliche Zweite Weltkrieg, der bis 8. Mai 1945 dauern sollte. Ab Winter 1942 wurde ich jedes Jahr in ein Hitlerjugend-Lager einberufen. Diese Lager waren für viele Jungen ein Schrecken, für mich aber eher eine Erholung, denn dort haben die Arbeitstage nicht 14 bis 16 Stunden gedauert und der Dienst war für mich nicht so eine Belastung wie zu Hause der Arbeitsalltag.
Im Winter 1943 bekam ich wieder die Einberufung für vier Wochen ins Lager Rotholz zur „Schweren Infanterie Ausbildung“. Scharfschießen mit dem Sturmgewehr und dem SMG 42, die Bedienung sämtlicher Arten von Minen, Panzerfaust, P-Rohr, Eier- und Stiel-Handgranaten werfen war angesagt. Für 3. Feber 1945 lautete der Einrückungsbefehl in das Lager Buchau am Achensee. Am 28. März 1945, kurz nach meinem 16. Geburtstag, wurde die NSKK-Staffel zur Musterung nach Schwaz abkommandiert. Mit vier weiteren Kameraden aus dem Zillertal wurden wir für tauglich befunden und bekamen für den übernächsten Tag die Einberufung in die Kaserne Alberschwende, Vorarlberg – mit. Als ich nach Hause kam, hat mich die Wirtin mit einem Freudenschrei begrüßt. „Gott sei Dank, dass du hier bist“. Sie schilderte mir die unliebsame Begebenheit, dass nämlich die GeStaPo ihren Mann vor ein paar Tagen wegen eines damals strafbaren Vergehen abgeholt habe und ihre Schwägerin Anna nach einem Unfall einen Gips-Arm trage. Ich verwies auf das gute Verhältnis der Wirtsleute zum Ortsgruppenleiter, der vielleicht etwas erreichen könne. Am späteren Nachmittag kam Telefon, dass für mich der Krieg vorbei wäre, denn ich konnte zu Hause bleiben. So blieb mir als Jugendlicher mit knapp 16 Jahren der Weg in den aktiven Kriegsdienst erspart. Wer weiß, wie mein Leben sonst verlaufen wäre.
Das Jahr 1949 brach an. Im Magnesitwerk wurden dringend Arbeitskräfte gesucht. Trotz einer versprochenen kräftigen Lohnerhöhung als „Knecht“ kündigte ich beim Krapfenbauern und begann meinen Dienst am 1. Feber 1949 im Magnesitwerk und war bis 31. August 1966 dort beschäftigt. Bei meines Vaters Partie konnte ich beginnen und hatte in ihm einen super Lehrmeister. Er machte mich in kürzester Zeit zu seinem Helfer und wurde so mit 22 Jahren der jüngste Etagenmeister des ganzen Betriebes. Ich wäre für den Besuch der Steigerschule an der Montanistischen Hochschule in Leoben für zwei Jahre Untertagepraxis verpflichtet gewesen. Die Grube aber mochte mich nicht! In den acht Jahren Tagbau hatte ich nie den kleinsten Unfall, in der Grube gleich mehrere. Der schlimmste passierte am 27. Mai 1957. Auf Grund dieses schweren Unfalles wurde meine Bergmanntätigkeit abrupt beendet und kostete mich zusätzlich ein Auge.
Später, am 1.9.1966 trat ich meinen Dienst in der Verwaltung in der Gemeinde Zell am Ziller an. Mein Aufgabenbereiche waren die Führung des Meldeamtes, der Staatsbürgerschaftsevidenz und wurde auch der Standesamts-Stellvertreter. Am 31. März 1989 ging ich nach 45 Beitragsjahren in Pension.
Meine Tätigkeiten in den verschiedenen Vereinen starteten mit der Feuerwehr Finkenberg und den Schützen. In der Gemeindepolitik war ich von 1962 bis 1997 aktiv. Vom Vizebürgermeister abwärts gehörte ich dem Gemeinderat in den verschiedensten Funktionen 35 Jahre an, vom Kassier-Stellvertreter bei der SPÖ-Ortsgruppe bis zum langjährigen Obmann, Bezirksobmannstellvertreter und Mitglied des Landesparteivorstandes. Beim Pensionistenverband Zell u.U. durfte ich 22 Jahre als Obmann, ebenfalls als Bez.-Obm.-Stellvertreter und Mitglied des Landesvorstandes tätig sein. Weiters war ich Gründungsmitglied des Zeller Fußballclubs, der RAIKA- Zell (Gründung 1965) –
begann als Kassaprüfer, dann Kassier und langjähriger Obmann.“
Seine Arbeit und sein unermüdlicher Einsatz bei zahlreichen Vereinen und Institutionen blieben nicht unbemerkt und so kann Sepp heute auf zahlreiche Auszeichnungen verweisen: „Viktor Adler Plakete“ – die höchste Auszeichnung der Sozialdemokratischen Partei Österreichs. Dr. Karl Kunst Medaille in Gold des Österr. Pensionisten Verbandes. Verdienstzeichen und Verdienstkreuz der Gemeinde Zell. Verdienstzeichen und Kulturehrenzeichen vom Land Tirol. Die höchste Auszeichnung vom Tiroler Fußballverband. Ehrenmitglied der Freiwilligen Feuerwehr Zell, des Pensionistenverbandes Österreich, Ortsgruppe Zell am Ziller und Ehrenobmann vom Sportclub RAIKA Zell.
Das Team der Zillertaler Zeitung, und an dieser Stelle auch ganz besonders Redakteur Andreas Gredler, der, mit dir zusammen so manchen Beitrag gestaltet hat, wünschen dir lieber Sepp alles, alles Gute zum 95er, vor allem Gesundheit! Und …. „Bleib so wie du bist!“