Nach einem Jahr Recherchearbeit gibt uns Mineralienexperte Walter Ungerank aus Aschau im Zillertal bemerkenswerte Eindrücke über den frühen Mineralienhandel von Zillertalern und den Werdegang besonderer Fundstücke.
Unter Herzog Siegmund „dem Münzreichen“ von Tirol (1427-1496) erlebte das Land Tirol im Spätmittelalter eine Blütezeit. Durch die reichen Silbervorkommen in Schwaz verfügte er über eine schier unerschöpfliche Quelle des Reichtums. Die Wirtschaft blühte auf und ein florierender Handel mit Waren aus Italien über die Alpenpässe setzte ein. Über den Brenner war der Fürstenhof in Innsbruck die erste Anlaufstelle für die edlen Waren. Ausländische Edelsteine bezogen die abendländischen Juweliere bereits aus Indien, Ceylon und Ägypten. Venedig war schon um das Jahr 1000 eine wichtige Handelsdrehscheibe. Wanderhändler und Kaufleute aus Italien (Venedig) boten an den Fürstenhöfen Halsketten, Schmuck und Edelsteine an.
In Tirol war Erzherzog Ferdinand II. aus dem Hause Habsburg (1529 – 1595) wohl der erste prominente Mineraliensammler. Mit 18 Jahren hat er vermutlich begonnen, erlesene Objekte zusammenzutragen. Nach dem Tod des Vaters 1564 zum Landesfürsten von Tirol bestimmt, ließ Ferdinand das mittelalterliche Schloss Ambras zu seiner Residenz ausbauen. Dort legte er ein „Universum im Kleinen“ an, das mit seinen Kunstobjekten und über 1.200 Mineralien als „Kunst und Wunderkammer“ bezeichnet wurde. Bergkristall war ein besonders beliebtes Mineral von Erzherzog Ferdinand.
„Bei einem besonderen Stück handelte es sich sicherlich um den Bergkristall aus dem Ahrntal (Südtirol) mit 40 cm. Dazu nennt er noch eine 18 Zoll (48cm) hohe Rauchtopassäule aus dem Zillertal. Diese wurde bei der Ausstellung „Kristalle aus Tirol“ im Jahr 2004 im Zeughaus in Innsbruck gezeigt“, weiß Walter Ungerank zu berichten. Leider blieben von der Ambraser Kunst- und Wunderkammer nur wenige Exemplare, wie dieser Zillertaler Rauchquarz erhalten. Zusammen mit anderen Kostbarkeiten aus der Ambraser Sammlung kam das Stück 1881 in die kaiserliche Sammlung nach Wien.
Kristallgeschäft eines Zillertalers mit dem Landesfürsten
Im Jahr 1571 kam es zu einer Kaufverhandlung mit Erzherzog Ferdinand. Martin Säckl aus dem Zillertal lieferte 234 Pfund Kristalle (sehr wahrscheinlich Bergkristall) an den Erzherzog Ferdinand. Dieser hat jedoch nur 39 Pfund von den schönsten und größten Kristallen aus der Lieferung ausgeklaubt und wollte den Rest nicht übernehmen. Die zurückgewiesenen 195 Pfund (Berg)Kristall lagern offensichtlich im Pfannhaus in Hall. Säckl, der wohl eine Zahlung in Höhe von 15 Gulden für die Ware erhalten hatte, soll nun einen Teil davon zurückzahlen und beschwert sich offenbar in Hall beim Salzmayr, der die Beschwerde an die Obrigkeit (zum wiederholten Mal) weiterleitete. Säckl fordert, dass man ihm entweder die ausgeklaubten Kristalle vollständig zurückgibt, da er auch einen anderen Käufer hätte, oder ihm aber die übrig gebliebenen 195 Pfund zum Preis von 10 Kreuzern pro Pfund abnimmt bzw. verrechnet. Der Brief an die Obrigkeit ist von Georg Fueger, Salzmayr vom Pfannhaus in Hall unterzeichnet. Dieser bittet die Obrigkeit um eine Entscheidung, wie weiter verfahren werden soll, wobei ein Vorschlag lautet, dem Säckl die restlichen Kristalle zum Preis von 8 Kreuzern pro Pfund abzukaufen. Wie die Sache ausgegangen ist, steht leider nicht in den Dokumenten.
Der „Morion“ von der Gefrorenen Wand
Kristalle wurden damals vorwiegend nicht nach dem Aussehen, sondern zum Kilopreis als „Mailänder Ware“ gehandelt. Das heißt, dass man beabsichtigte, größere Ware zur Erzeugung von Vasen, Schalen oder kostbaren Schmuckstücken in den Steinbearbeitungswerkstätten in Mailand oder Venedig weiterzuverarbeiten. Zu diesem Zwecke wurde vermutlich auch ein 50cm hoher und 17 bis 19 cm dicke Morion von Martin Säckl erworben. Dieser große Morion brachte 26,32 kg auf die Waage. Den fast schwarzen Rauchquarz bezeichnete bereits Plinius (+79 n.Chr.) als „Mormorion“. An diesem Kristall ist nur der erste Zentimeter rauchfarbig durchscheinend und geht dann in schwarz über.
Der 50cm hohe prismatisch, säulige Morion war sicher einer der größten heimischen Kristallstufen und zeigt am Kristallende eine sehr große Trapezoberfläche, welche vermutlich durch verschiedene Wachstumsbedingungen entstanden sein dürfte. Im Jahre 1880 wurde dieser große Kristall an das Naturhistorische Museum Wien gegeben. Sein Wert wurde mit 100 Kronen angegeben. Laut historischem Währungsrechner müsste es jedoch Gulden heißen. 1880 waren 100 Gulden ca. € 1.535,- wert.
Der vermutliche Fundort
Im Jahre 2006 hat Ungerank bei einheimischen Sammlern (Mitterer, Troppmair, Kreidl M.) betreffend dem Fundort recherchiert und Niedermayr (Kustos des NHM Wien) vermerkte am 24.2.2006: Nach Auskunft verschiedener lokaler Sammler stammt der Kristall mit größter Wahrscheinlichkeit aus dem, dem Zamsergrund zugewandten Gipfelbereich der Gefrorenen Wand Spitze in den Tuxer Alpen. Jedoch nach Sichtung von vergleichbaren Kristallen in der Sammlung von Roman Erler und Leopold Ortner dürfte der Fundort eher der Gefrorenen Wand – Südgipfel bis Riepensattel zuzuordnen sein. In den Jahren 1990 bis 2010 wurde der Gipfelbereich der Gefrorenen Wand von den Mineraliensammlern Roman Erler und Leopold Ortner aus Tux intensiv abgesucht. Durch die Klimaerwärmung, vor allem ab den 1990er Jahren wurden Gesteinszonen freigelegt, welche früher vom „Ewigen Eis“ eingeschlossen waren. Ortner entdeckte auch Kristallschutt aus Bergkristall, Rauchquarz und Morion am Fuße einer Felswand am Gletscher liegend. Die schönen Kristalle wurden mitgenommen, die Bruchstücke liegen gelassen. An manchen befanden sich auch violette Fluorite bis 1cm und kleine Apatitkristalle.
Blick vom Haupental zu Gefrorenen Wand, Olperer und Schrammacher
Fotos: Bildarchiv Ungerank