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Leserbrief

Marktgemeinde Zell am Ziller Hauptort des Zillertales?

Mittwoch, 16. April 2025

von Sepp Rauch, Zell am Ziller

Eine Geschichte über das seit Alters her rege Geschäftsleben, Vielfalt und Konzentration von verschiedenen Betriebsarten, Behörden und Ämtern, die unseren Ort Zell und den mit dem Ortsteil Zellbergeben mit Recht zum Hauptort und Zentrum des Zillertales gekürt haben. 

Nicht nur für die große Anzahl an Dienstleistungsbetrieben wie zum Beispiel Lebensmittel, Gemischtwaren und Kurzwarenhandel war Zell bekannt. Die hohe Anzahl an Gasthöfen und Beherbergungsbetrieben machten Zell immer schon zu einem Zentrum der Geselligkeit. Gastronomie und Unterkunft, angefangen in Zell direkt vom Gasthof Hotel Bräu, Sporthotel und Hotel Theresia, Kirchenwirt (früher zum Welschen), Tirolerhof (früher Tuscher), die Gasthöfe Schneeberger und Tirolerheim, Untermetzger, Zellerstube, Neuwirt, Cafe Gredler, Hotel Mali bis hin zur Neuen Post, zudem noch das Hotel Rosengarten, Gasthof Alte Mühle und der Sonnenhof. In Zellbergeben gab und/oder gibt es die Alte Post, die Gasthöfe Daviter, mittlerweile neu erbaut als Amtsgebäude der Gemeinde Zellberg, sowie den Englhof und Hotel Zapfenhof, also insgesamt 21 Betriebe. In der Sparte Lebensmittelläden, sogenannte „Greißler“, gab es zehn Betriebe. Begonnen in der oberen Gerlosstraße bei Födisch, Hofer, Hotter, Platzer und Weigl, im Dorf Wimpissinger, Neuwirt und die Filiale Penz und in Zellbergeben Hermann Penz und Platzer, gesamt zehn Betriebe (heute nur noch Hofer, Billa, Spar und Bäckerei Strasser).

Produzierende Betriebe wie Sägewerk, Schmiede, Schlosser, Tischler, Wachszieherei, Hutmacher, Kautabak-Erzeugung beim Lechenbauer und eine Wolltätscherei im Rauthäuslfeld. Zwei Sennereien, eine in der Talstraße – die Gemeinschafts-Sennerei und in Zellbergeben beim Weindl, wo auch neben der üblichen Hartkäserei die einzige Weich- und Schmelzkäserei im Tal betrieben wurde. Das Sägewerk Obholzer, das sich in der oberen Gerlosstraße befand, wurde nach der Insolvenz von der Familie Höllwarth übernommen. Ende der Neunzehnsechziger Jahre wurde auf diesem Grund die Bundesstraße gebaut und unterirdisch geführt. Dieser Betrieb wurde deshalb nach Zellbergeben umgesiedelt, wo er heute noch in Betrieb ist und mit einem Kunststoffherstellungsbetrieb ausgebaut wurde. In der Gaudergasse die Kitzwiessäge (Pöll Säge) und in der Unterau die Schleuner Säge im Besitz der Familie Binder (Greiderwirt/heute Zellerstube), welche auch eine Zimmerei (Binder) betrieb (nicht verwandt mit der Zimmerei Binder in der Gaudergasse). 

Tischlereien gab es unter anderem: Pircher mit Malerei, beim Riedltischler in der Kaiserstadt, beim Schwankler, im heutigen Haus Juwelier Amor sowie Rosengartenweg die Tischlerei Fritz Hauser. Maler und Anstreicher die Fa. Murtinger und Armellini in der Gaudergasse. Schmiede- und Schlosserei-Werkstätten: die Schmiede Oberlechner in der Gaudergasse und die Untere Schmiede in der Rohrerstaße.

Schlossereien und Eisenwaren befanden sich beim Kupfner in der Gerlosstraße und beim Schlosser Seppal in der Bahnhofstraße, ebenfalls eine diesbezügliche Werkstätte und einen Verkauf von Haushaltsgeräten. Die Kunstschmiede der Familie Huber in Zellbergeben, aus dieser Werkstätte stammt ein Kunstwerk, das Grabkreuz der Familie Penz am Zeller Friedhof. Mit dieser schönen Kunstschmiedearbeit hat der Großvater von Hermann Huber bei der Weltausstellung in Brüssel 1958 die Goldmedaille verliehen bekommen. Ein Kuriosum, diese Familie ist im Besitz eines „Kaiserin Maria Theresien Gewerbescheines“, welcher fünf verschiedene Betriebsarten beinhaltet: Neben der Bau- und Kunstschlosserei, Autohandel, Zubehör, Taxibetrieb und noch das Betreiben einer Tankstelle. In Zell gab es dann auch noch eine Hutmacherei beim Ritzl im Unterdorf, beim „Schafhittl“ eine Glaserei (mittlerweile in der Rohrerstraße als Glaserei Gstrein), Geschirr und Haushaltsartikel, ebenso eine Glaserei beim „Spangler“ in der Gerlosstraße. Eine Mostpresse gab`s beim „Reiserbauern“ in der Kaiserstadt. Ein interessantes Gebäude steht am Campingplatz beim Hofer, „der Buasdompf“ – eine Knochenmühle und Granatenschleiferei, ein Gebäude, das meiner Meinung nach unter „Denkmalschutz“ gestellt gehört. Die Familie Hofer besitzt heute noch das Schürfrecht für Edelsteine auf der Villacher Alpe bei Radenthein in Kärnten.

Alle diese Betriebe wurden durch eine Ableitung vom Gerlosbach, den so genannten Mühlkanal mit Wasserkraft betrieben. Begonnen mit dem Buasdompf, der oberen Schmiede, der Platzermühle und Penzmühle, weiter zur unteren Schmiede und Schleuner Säge bis zur Einmündung in den Ziller.

Alle diese Betriebe, die mit diesem Wasser maschinell betrieben wurden, bekamen eine neue Energieversorgung. Durch den Bau des Gerloskraftwerkes in den Jahren 1939/40 durch die deutsche Firma Siemens wurde dieser Mühlkanal in Betonrohre verlegt und somit für die anliegenden Betreiber unbrauchbar. Als Gegenleistung wurden diese Betriebe elektrifiziert und durch Freistrom entschädigt. Diese Verträge haben heute noch Gültigkeit.

Über den Goldabbau in Zell von der ersten urkundlichen Erwähnung über den Neuschurf bei Hainzenberg 1506 bis zur Schließung 1929 wurden schon viele Bücher geschrieben und würde diesen Leserbrief sprengen.

Die kommunalen Einrichtungen in unserem Ort, die von großer Bedeutung sind: Das Bezirksgericht mit dem Notariat, mittlerweile mit zwei Kanzleien. Der Sitz der Österreichischen Bundesforste und der Bezirksforstinspektion. Seit dem frühen sechzehnten Jahrhundert das „Kaiser Franz Josef Spital“, das seit vielen Jahren als Alten-, Wohn- und Pflegeheim umgebaut und in den letzten Jahren nochmal komplett neu errichtet wurde. Eine nicht mehr wegzudenkende Einrichtung, die den älteren und pflegebedürftigen Mitmenschen die Sorgen vor der Zukunft nehmen soll. Seit vielen Jahren ist auch ein Stützpunkt des ÖAMTC in Betrieb. Seit einigen Jahren werden in der Talstraße von der Fa. Betten Eberharter Betten und Matratzen produziert. In dessen Nachbarschaft befindet sich auch eine Markschneiderei (Vermessungsbüro).

Die vier Vieh- und Krämermärkte früher sollen hier auch erwähnt werden. Begonnen mit dem „Jewismarkt“ im Februar vor Beginn der Fastenzeit und der „Jakobimarkt“ im Juli hatten diese beiden kleineren Märkte ihren fixen Termin. Die beiden großen Märkte fanden zum einen am ersten Montag im Mai, einen Tag nach dem Gauder Fest, statt und der andere am Montag nach dem Rosenkranzfest, welches am ersten Sonntag im Oktober seinen Termin hat. Diese Märkte wurden von Krämern und Viehhändlern aus nah und fern besucht, sogar von Wien sind Händler gekommen, um ihre Waren anzubieten. Hauptsächlich für die bäuerliche Bevölkerung des Tales wurde dies wie Feiertage empfunden. Vom Wolf Seppal, dem langjährigen Gemeindearbeiter und für die Einteilung und Inkasso der Marktstände zuständig, erfuhr ich, dass die Rekordzahl an aufgetriebenem Großvieh (Kühe und Pferde) 342 Stück betrug. Schafe und Ziegen wurden hier nicht mitgezählt. Für diese Festivitäten reichten die vorhandenen Betten in Zell für die angereisten Händler und Gäste in den Gasthäusern nicht aus. Die Wirte, zu der Zeit meist Bauern, boten ihre Heuböden als Notquartiere an. 

Über die Vereinstätigkeiten, die in unserer Gemeinde einen großen Stellenwert besitzen, habe ich des Öfteren schon geschrieben und finde es in diesem Leserbrief nicht mehr notwendig.   

Zum Schluss noch eine Anmerkung: Da das Flächenausmaß von Zell 2,44 Quadratkilometer beträgt und somit Zell die zweit kleinste Gemeinde Tirols ist, traue ich mir zu sagen und ich bin mit dieser Annahme nicht allein, dass Zell als Zentrum und Mittelpunkt des Zillertales zu bezeichnen ist.

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