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Der Schatz im Reichenspitz

Geschichten aus dem Zillertal

Mittwoch, 23. März 2022
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Der Durlasboden ist uns schon wohlbekannt und ladet zum Verweilen auf dem Rückweg. Wenn wir aber beizeiten auf den Reichenspitz kommen wollen, dann müssen wir uns frisch auf den Weg machen und hineinwandern in die Wilde Gerlos.

Dort oben, tief verborgen im Berg, befindet sich ein unermesslicher Schatz, den Bergmännlein behüten. Gold, Silber und Edelsteine sind es, die in des Berges Tiefe verwahrt liegen und dem menschlichen Auge wie auch der menschlichen Habsucht unzugänglich bleiben.
Nur ein armes Bäuerlein, falls es einmal dort oben zu tun hat und einem der Bergmännlein begegnen sollte, darf sich etwas erbitten von dem Reichtum. Freilich, der Zins ist nicht gering, denn es muss nach seinem Tode den kleinen Kobolden helfen, den Schatz zu hüten. Aber so ein Bergmännlein lässt sich nicht leicht erblicken von den Leuten. Das mag auch der Grund sein, dass ein derartiger Seelenverkauf bisher noch nicht zustande gekommen ist.
Grad einmal – vor vielen Jahren muss es gewesen sein – da ist ein Venedigermandl in die Gerlos gekommen und hat sich dort einen Bergführer gedingt, der es auf den Reichenspitz führen sollte; denn die Venedigermandln, die weit im Süden drunten daheim sind am blauen Meer, stehen mit den Schatzhütern im Bunde, haben Zutritt zu den weiten, goldfunkelnden Höhlen und dürfen nehmen, was ihr Herz begehrt.
Und an jenem Tag nun wollte es sich einen Sack voll Gold und Edelsteinen holen auf dem Reichenspitz.
„Willst deinen Lohn im Voraus oder im Nachhinein haben?“ fragt der Venediger den Bergführer und gedachte, den Schatz mit ihm zu teilen, wenn er sich solange gedulde. Der Bergführer aber war ein wenig misstrauisch und forderte seinen Lohn im Vorhinein. Dann begannen sie den Aufstieg.
Als sie auf der Spitze angelangt waren, begann der Venediger mit seinen Beschwörungen, zog mit dem Silberstocke, den er bei sich trug, im Schnee einen Kreis und murmelte ein paar sonderbare Worte dazu, die der Gerloser nicht verstand.
Kaum war er damit zu Ende, als schon einer der Schatzhüter erschien und einen großen Sack niederlegte, der bis obenhin mit Gold und edlem Gestein angefüllt war.
Da reute es dem Bergführer freilich sehr, dass er nicht gewartet hatte. Der blasse Neid fasste ihn am Herzen, und er gedachte, das Männlein beim Abstieg seines Schatzes zu berauben. Rasch ging er voraus und versteckte sich hinter einem großen Felsblock.
Das Venediger Männlein aber erriet seinen gottlosen Gedanken, setzte sich flugs auf seinen Goldsack, machte dreimal sss, sss, sss und war plötzlich verschwunden.
Der heimtückische Bergführer aber hatte das Nachsehen und macht sich verdrossen auf den Heimweg.
Obl. Grüner, V.-Sch. Gerlos.

Aus der Sammlung „Sagen, Brauchtum & Mundart im Zillertal“ von Erich Hupfauf

Zillertaler Zeitung

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