Es war im Jahr 2003. Gemeinsam mit Hp. J. Schrattenthaler und A. Aschenwald gelangen mir damals zwei schöne alpine Kletter-Erstbegehungen am Grundschartner und in der Mugler-Nordwand. Als wir unserem Freund Peter Habeler davon erzählten, war er ganz begeistert und erinnerte sich im Zuge dessen auch zurück an seine eigene Felskletter-Erstbegehung am Reichenspitz-SW-Pfeiler, die ihm vor Jahrzehnten glückte. Er würde sich „gonz saggrisch g‘frein“, meinte er, wenn diese hochalpine Tour, die noch immer keine zweite Begehung erhalten habe, endlich die erste Wiederholung erhielte. Ob wir nicht… Also auf zur Plauener-Hütte!
Dort angekommen staunten wir nicht schlecht, als uns der Hüttenwirt berichtete, dass die seit 41 (!) Jahren ohne Zweitbegehung gebliebene Habeler-Route ausgerechnet vor wenigen Tagen von den zwei Pfund-Brüdern erstmals wiederholt wurde. Gewisse Dinge scheinen einfach in der Luft zu liegen! Peters Wunsch hatte sich also bereits ohne unser Zutun erfüllt, – demzufolge gingen wir, jetzt, da wir schon da waren, eine Neutour an und eröffneten in der Reichenspitz Südwand unweit rechts vom „Habeler-Riss“ die „Adler-Verschneidung“…
„Everest der Genüsse”
Ein Jahr später entdeckten wir die attraktive Spaten-Westwand und machten in ihr vier Erstbegehungen. Die fünfte und womöglich schönste Linie hatten wir uns als Geschenk für unseren Freund Peter Habeler aufbewahrt. „Bist du dabei?“… Peter hatte Lust und auch tatsächlich Zeit –
eine echte Rarität.
„Die häufigen Regenschauer der vergangenen paar Tage haben den Altweibersommer beendet. Die Vorschau prophezeit für heute zwar ein kurzes Schönwetterfenster, das aber nur so lange anhalten soll, bis im Laufe des frühen Nachmittags der Föhn zusammenbricht und der Schnee die Zillertaler in ein glänzendes Weiß kleidet. Trotzdem ziehen wir los. Mit Peter. Oft kommen gerade in solchen Situationen, wenn man sich nicht abschrecken lässt, die schönsten Dinge heraus.
Und so war es dann auch: die Föhnwolkenmauer hing satt und stabil von Südtirol über das Heilig-Geist-Joch zu uns in den Zillergrund herüber, drunten an der Staumauer tobte –
ähnlich wie am Gipfelgrat – orkanartig der Wind, – aber uns konnte in der Spaten Westwand, wo der Föhn aufgrund des begünstigten Winkels nur mäßig einfiel, nichts aufhalten.
Die gemeinsame Begeisterung, diese Linie gemeinsam zu klettern und diese Erstbegehung gemeinsam zu genießen, besiegte alle Hindernisse. Und es wurde eine Kletterei, die ihresgleichen suchte. Jeder Klettermeter wahre Freude, jede Bewegung ein Genuss, jede Seillänge ein Traum. Peter kletterte wie ein junger Gott. Der (damals) 63-Jährige bewegte sich wie ein Lausbub, lachte, schwieg und plauderte, als wäre es Alltag, Erstbegehungen im VI. Schwierigkeitsgrad zu klettern. Wir harmonierten wie eine eingespielte Mannschaft. Nicht nur durch das Seil, sondern auch in Freundschaft miteinander verbunden. Kletternd turnten wir in der plattigen Mauer höher, ergötzten uns an jeder Seillänge und freuten uns zusammen über das Gelingen dieser wunderschönen Freikletter-Neutour in den Zillertaler Alpen. In Anlehnung an Peters größten Himalaya-Erfolg nannten wir die Erstbegehung schlicht und einfach: „Everest der Genüsse“.
222 Lenze … oder werden es doch mehr?
2021/2022: Hartl Enthofer, jahrzehntelang Bürgermeister von Bruck, ist ein echter alpiner Haudegen der Sonderklasse. Praktisch alle großen Alpen-Wände hat er durchstiegen. Jetzt ist er 77. Und klettert immer noch! Ich bin 66, Peter Habeler noch 79. Das brachte mich auf die Idee, gemeinsam eine Erstbegehung zu machen und ihr den Namen „222 Lenze“ zu geben. Ich machte Peter voriges Jahr also den Vorschlag, zu diesem Zweck am Nördlichen Schwarzkopf die einladende Westkante, die hinter der Plauener Hütte so markant aufragt, gemeinsam mit Hartl und Peter erstzubegehen. Peter war sofort Feuer und Flamme. Aber: immer wenn sich Schönwetter ankündigte und wir gemeinsam aufbrechen wollten, kam ihm irgendeine „Peter-Habeler-Annodazumal-Filmerei“ dazwischen. Entweder an der Gelben Kante (Drei Zinnen), im Buhl-Dachl, wo ihm einst die 2. Begehung glückte (Rofan), oder in der Mauck-Westwand, wo er 1975, gesichert von Tiziana Weiss, einen grandiosen Abflug hinlegte (Wilder Kaiser). Und immer war Peter, von jungen Spitzenkletterern ans Seil genommen, bei den Filmaufnahmen in den Steilwänden kletternd dabei. Mit 79 (!).
Der Sommer ging vorüber, die Kante am Schwarzkopf hab ich inzwischen mit Hartl alleine gemacht und für heuer mit Peter eine Linie links daneben ins Auge gefasst. Aber dasselbe Spiel scheint sich zu wiederholen. Peter muss, ob all der unausweichlichen Termine zu seinem 80er, immer wieder verschieben, sodass ich die Linie links daneben Ende Juni mit Tschak gemacht habe und für die „222 Lenze“ mit Peter die WNW-Wand plane. Wenn heuer wieder nichts draus wird, heißt die Erstbegehung mit Peter halt nicht 222, sondern „225 Lenze“, weil wir nächsten Sommer ja alle drei wieder je ein Jahr älter sein werden.
However,
die Hoffnung stirbt zuletzt, Peter & mein Glückwunsch
zum 80er kommt
vom Herzen.