Ein krebskranker Mann lag im Sterben. Seine Frau hatte panische Angst vor diesem Moment. Sie bat mich, mit ihnen zu sein. Zu lange schon hatten sie sich nichts mehr zu sagen. Eine wirkliche Aussprache wurde verabsäumt und war aufgrund der schweren Krebserkrankung auch nicht mehr möglich. Doch was konnte ich tun? Ich habe die Hände der beiden ineinandergelegt und mit ein paar Worten an einige positive Momente ihrer Beziehung erinnert. Mit einem Händedruck konnten sie darauf reagieren. Und es hat funktioniert. Beiderseits Tränen. Spürbar erleichtert konnte der Mann loslassen und „hinübergehen“. Im letzten Augenblick ist Versöhnung noch möglich geworden. Verhärtete, „zugeschnürte“ Herzen wurden befreit.
In der Innsbrucker Spitalskirche hing während der Fastenzeit eine großformatige Fotoarbeit von Peter Garmusch. Zu sehen war ein eingeschnürtes Herz. Durch einen Gummiring wurde das Organ eingeengt. Das ungewöhnliche, aber leicht verständliche Bild hat ein Grundgefühl heutiger Zeit thematisiert: Ängste und Mutlosigkeit beherrschen viele Menschen, rauben die innere Freiheit und Energie. Das Gefühl von Ohnmacht und Ausweglosigkeit schnürt das Herz zu. Auch die zerstörerischen Kriege in unserer Welt tragen dazu bei, ebenso die vielen Klima- und Naturkatastrophen. Nicht minder „einengend“ wirken persönliche Erfahrungen von Schuld und Versagen. Uralte Verletzungen lähmen oft Beziehungen und Familien. Versöhnung wäre dringend notwendig – und ist möglich!
Am Ende des Lebens sind es nur zwei Fragen, wie Martin Luther es ausgedrückt hat, die wir zu beantworten haben: „Wem muss ich vergeben und wen muss ich um Vergebung bitten?“ Die Realität schaut oft anders aus. Es gibt Menschen, die mit ihren Nächsten „abrechnen“ und sich verhärten. Wie oft habe ich erfahren, dass das Nicht-Vergeben-Können das größte Hindernis für ein „ruhiges Hinübergehen“ ist. Aber wem fällt das Vergeben schon leicht? Es ist keine Take-it-easy-Übung – gerade deshalb: Gott gibt dazu die Kraft! Versöhnung ist ein Geschenk Gottes – und ein Auftrag an jeden von uns. Oft ist es nur ein Wort der Bitte um Entschuldigung oder der Mut, einen Konflikt gewaltfrei zu beenden. Vergebung entkrampft. Befreit das Herz.
Das Fastenbild in der Spitalskirche war selbstverständlich kein Herz-Jesu-Bild. Aber es kann uns bewusst machen, dass wir uns an die vielen Herz-Jesu-Bildnisse in Tirol gewöhnt haben und damit die Schönheit und tiefe Bedeutung nicht mehr wahrnehmen. In den meisten traditionellen Darstellungen zeigt Jesus sein offensichtlich verwundetes Herz. Von Flammen umgeben und leidenschaftlich pulsierend soll es den Herzschlag Gottes darstellen. Um den Tod festzustellen, stieß ein Soldat mit der Lanze in seine Seite. „Blut und Wasser“ strömte heraus. Das brutal geöffnete Herz Jesu ist zur Ikone geworden, zur Quelle, aus der Gottes Herzensenergie fließt – für alle Menschen! Feiern wir mit dieser österlichen Energie Ostern! Jesus, der Auferstandene, überrascht uns mit seinem Frieden.
Ein gesegnetes Osterfest wünscht Ihnen
Bischof Hermann Glettler