Die tolle Sonderausgabe der Zeitschrift „Die Zillachtolarin“ zum letzten Gauderfest hat mich animiert, etwas über meinen zweiten und mir lieb gewordenen Heimatort Zell und über das Zillertal Bier der Brauerei Zell einiges in Erinnerung zu rufen.
Der Ort und die Gemeinde Zell am Ziller hat in der mehr als tausendfünfhundertjährigen Geschichte wohl immer schon eine besondere Rolle unter den Zillertaler Gemeinden gespielt und einen besonderen Stellenwert eingenommen.
Obwohl urkundlich im Jahre 1188 erstmals erwähnt, gab es einige Jahrhunderte vorher schon ein erwähnenswertes Dorfleben. Wie sonst wäre es möglich gewesen, dass das Siech- und Altenheim, heutiges Alten und Pflegeheim, lange vor dieser Zeit bestanden hat. Das erste St. Johannes Spital wurde 1187 erbaut, was eben 1188 zur ersten Erwähnung in einer Urkunde führte.
Zell am Ziller, geographischer Mittelpunkt des Tales mit dem Übergang über den Gerlospass ins „Salzburgische“, mag den Ort Zell irgendwie geprägt und dessen Bedeutung in den Vordergrund gestellt haben. Nicht nur durch den über 350 Jahre betriebenen Goldbergbau, auch durch den Sitz der vielen Ämter und Behörden (Gericht, Notariat, Sitz der Bundesforste, Bezirksforstinspektion, der erste Gendarmerieposten im Tal, die erste Hauptschule im Zillertal – der Grundstock für das heutige Schulzentrum im Zillertal) – wurde Zell am Ziller weit über die Grenzen Tirols hinaus bekannt. Die Pfarre und das Dekanat Zell am Ziller mit den zwei Filialkirchen Ramsau und Thurmbach haben seelsorgerisch ein breites Spektrum zu betreuen. Geistliche und weltliche Würdenträger haben zusätzlich dazu beigetragen. Die Galerie in unserem Kulturjuwel, dem “Seligen Engelbert Kolland Haus“, gibt Zeugnis darüber.
Weltliche Honorationen haben unseren Ort Zell in die Annalen der Geschichte des Zillertales eingehen lassen. Der Urgroßvater der heutigen Chefin vom Bräuhotel, Waltraud Kolbitsch, Kaspar Schneider, Landtagsabgeordneter und Besitzer beim Bräu, war einer der drei Mitgründer, gemeinsam mit dem Fügener Arzt Dr. Rainer und dem Hotelier Prantl aus Jenbach, die hauptverantwortlich für den Bau der „Zillertalbahn“ zeichneten.
Ein für die damalige Zeit „Langzeit-Bürgermeister“ namens Josef Lackstätter, Landtagsabgeordneter und Kaufmann in der Bahnhofstraße ist für mich und für die Gemeinde Zell ein Pionier und Ehrenmann, der statt Dank nur Undank geerntet hat. Die Bürgermeister wurden in dieser Zeit alle drei Jahre neu gewählt. BM Lackstätter hat dieses Amt von 1922 bis 1935 ausgeübt. In diesen Jahren gab es im Ort Zell einen kommunalpolitischen und wirtschaftlichen Aufschwung, der im ganzen Tal einmalig war. In diesen Jahren wurde die erste Hochdruckwasserleitung mit einem Hydranten-Netz errichtet und der Feuerschutz, nicht nur für Zell, auch für die umliegenden Gemeinden gewährleistet. Der Abwasserkanal wurde auch in dieser Zeit gebaut, so etwas gab es im ganzen Tal noch nicht. Zell war auch die einzige Gemeinde des Zillertales, die die Dorfstraße staubfrei gemacht hat. Von der Brücke durch das Dorf, die Bahnhofstraße bis zum Lechenbauer und die Gerlosstraße bis zum Hotter wurden asphaltiert. Um dies alles verwirklichen zu können und vom Land einen finanziellen Zuschuss zu erhalten, musste eine entsprechende Länge des bestehenden Wegenetzes nachgewiesen werden. Es wurden die privaten Feldwege in das öffentliche Gut übernommen, und so konnte auch dieser Plan verwirklicht werden. Vom Untermetzgerwirt wurde das Hennhaus mit Stall gekauft und an diesem Platz das Gemeindeamt mit Feuerwehrhalle errichtet.
Dies alles hat natürlich den Gemeindehaushalt schwer belastet, und die Gemeinde kam in finanzielle Schwierigkeiten, die zum Ausgleich führten. Und nun kam das für mich bis heute Unverständliche! Bürgermeister Lackstätter wurde für dies ALLES allein verantwortlich gemacht und musste mit seinem Privatvermögen haften. Der gesamte Gemeinderat ließ ihn sozusagen im „Regen“ stehen. So viele schwerwiegende Entscheidungen kann nicht ein Bürgermeister allein entscheiden. Wo sind denn die „Gemeindemandatare“ bei all diesen Entscheidungen und gemeinsamen Beschlüssen gewesen? Kurios! Ich war dreieinhalb Jahrzehnte Mitglied des Gemeinderates von Zell, deshalb traue ich mir darüber ein Urteil zu.
Und nun zur Geschichte über das „Zillertal Bier“ und der Familie und deren Besitzer zum Bräu, ehemals das Bolsinghaus genannt. Im Jahr 1432 unternahmen Mailänder Kaufleute eine Geschäftsreise nach Innsbruck. Bei dieser Gelegenheit hörten sie vom Markt in Zell im Zillertal und banden diesen in ihre Reise ein. Im Bosinghaus bezogenn sie Quartier.
In den Kellergewölben dieses Hauses wurde das erste Bier gebraut. Ein Kuriosum am Rande: In der mehr als 500-jährigen Geschichte dieser Brauerei, des Gasthofs und Bauerngutes, gab es nie einen männlichen Erben. Aber die Töchter fanden immer überaus tüchtige Männer, die diese Privatbrauerei und allen weiteren Besitz am Leben erhielten. Nicht nur am Leben erhielten, sondern sie stellt heute einen Musterbetrieb unter den Privat-Brauereien in Österreich dar.
Drei Persönlichkeiten dürfen hier nicht unerwähnt bleiben. Die Verdienste von Kaspar Schneider habe ich schon im ersten Teil beschrieben. Als weiterer Pionier zu nennen ist der Großvater der „Bräu Waltraud Kolbitsch“, der legendäre Simon Strasser, „Bräu Simal“. Er war nicht nur ein guter Bauer auf dem großen Gutshof, sondern auch für die Brauerei ein großartiger Chef, der landauf und landab bekannt war. Von 1908 bis 1919 war er Bürgermeister der Gemeinde Zell und auch über zwei Jahrzehnte Kommandeur des „Zillertaler-Schützen-Regiments“. Eine besondere Leistung hat er in der Zeit der Wirtschaftskrise in den schlimmen „Dreißiger-Jahren“ vollbracht. Die Brauerei Zell war die einzige, die Bier auf Kredit lieferte. Sehr viele Gastronomen hatten durch diese Umstände, die diese Zeit mit sich brachte, ziemlich hohe Rückstände bei der Brauerei in Zell. Hätte der Bräu diese Außenstände exekutiert, wäre das ihr Ruin gewesen. Ein namhafter Wirt aus Mayrhofen, „Kröbas Wilhelm“, hat diesen Spruch des Öfteren in seiner Gaststube von sich gegeben. Auch ich habe ihn selber gehört. „Wenn der Bräu Simal uns diese Zahlungen nicht gestundet hätte, wären wir nicht mehr Wirtsleute beim Wildauer sowie viele seiner Wirtskollegen.“ Die wirtschaftliche Konsolidierung nach dem Jahr 1938 rettete sie davor und dafür hatten sie der Brauerei Zell zu danken!
Der Dritte und heutige Geschäftsführer in diesem Musterbetrieb in dem sich heute zeigenden Zustand und Größe, Martin Lechner, darf nicht unerwähnt bleiben. Seiner Umsicht und seinem Unternehmergeist ist es zu danken, dass sich dieser Betrieb mit seinen vielen Mitarbeitern so entwickelt und in weiterer Zukunft ein guter Geschäftsverlauf beschieden sein mag.
Lieber Martin, dir und deinem Team wünsche ich zum Wohl und Fortschritt in unserer Gemeinde aufrichtig das Allerbeste.
Sepp Rauch