Insbesondere Spaziergängern, welche die orographisch linke Zillerpromenade ab der Zeller Brücke in Richtung Süden nutzen, dürfte es nicht entgangen sein, dass im Herbst 2021 am bestehenden Pegelbauwerk Schautafeln angebracht worden sind, welche sich mit der Geschichte des Pegels, seiner technischen Ausstattung sowie der Wirkungsweise von Hochwasserschutzeinrichtungen befassen und darüber hinaus mit weiteren Informationen über das Einzugsgebiet des Ziller aufwarten, z.B. die Bändigung des Ziller als Hochwasserverursacher und die Zähmung gefährlicher Wildbäche.
Dr. Wolfgang Gattermayr, bis 2014 Leiter des Hydrographischen Dienstes Tirol in der Abteilung Wasserwirtschaft beim Amt der Tiroler Landesregierung, hat sich nach Übertritt in den Ruhestand bemüht, durch die Schaffung von Schautafeln an der Außenseite des Pegelhäuschens den Zweck und den Nutzen von systematischen hydrographischen Messungen und Beobachtungen als staatliche Aufgabe interessierten Passanten näher zu bringen.
Auch historische Abläufe kamen dabei nicht zu kurz und verdeutlichen, wie der Ziller-Fluß und dessen stark schwankende Wasserführung – insbesondere durch Starkregen, Schnee und Gletscherschmelze sowie Mureneinstöße durch einmündende Wildbäche – das Leben der Talbewohner beeinflusst hat. Hierbei konnte er sich besonders auf die tatkräftige Unterstützung seines ehemaligen Mitarbeiters, Ing. Josef Pfister, verlassen. Außerdem waren vielfältige und zahlreiche Unterlagen zusammenzuführen, die in den verschiedenen Ämtern und Dienststellen des Landes, des Bundes und in den diversen Instituten der Universität Innsbruck vorhanden waren. Für die gefällige Gestaltung der Schautafeln konnte das Graphikbüro Klaus Dapra in Lienz gewonnen werden, das mit viel Feingefühl und Engagement den geballten Wissenskomplex abschnittsweise und leicht verdaulich den interessierten Betrachtern zum Genuss aufbereitete.
Die angebrachten Schautafeln berichten unter anderem über die Geschichte des Pegels am Ziller und dessen Wirkungsweise. Am 1. Jänner 1896 als einfacher Lattenpegel in Betrieb genommen, im Lauf der Jahre wiederholt durch Hochwasserereignisse beschädigt oder zerstört, stellt er heute eine moderne Einrichtung dar, welche nicht nur Grundlagen für wasserwirtschaftliche Untersuchungen liefert, sondern auch als Teil des landesweiten Hochwassermeldenetzes die frühzeitige Erkennung einer drohenden Hochwasserent-wicklung ermöglicht. Weitere Kapitel widmen sich den Gletschern und der Elektrizitätswirtschaft im Einzugsgebiet des Ziller. Die E-Wirtschaft (damals Tauernkraftwerke AG) hat durch den Bau von Jahresspeichern in den Seitentälern durch deren Wasserrückhaltevermögen nennenswert zur Entschärfung des Hochwassergeschehens beigetragen, ebenso wie flussbauliche Maßnahmen am Ziller selbst, sodass die Talschaft seit 1959 von größeren Hochwasserkatastrophen verschont geblieben ist.
Breiter Raum wird geschichtlichen Fakten in den Kapiteln „Von wilden Wassern“ und „Zittern am Ziller“ gewidmet. Nicht nur Zell am Ziller – das gesamte Zillertal – wurde außer von Kriegen und deren Auswirkungen von Naturkatastrophen heimgesucht. Die der Zeller Ortschronik fragmentartig zur Verfügung stehenden Daten und Fakten können nun durch Dr. Gattermayrs fundierte historische Abhandlung ergänzt werden. Neben Missernten zu Beginn des 19. Jahrhunderts und den darauffolgenden Hungersnöten sowie der Cholera, die zwischen 1831 und 1833 zahlreiche Talbewohner dahingerafft hatte, waren Naturgewalten die häufigsten Heimsuchungen. Darüber wird in der Zeller Chronik von Überschwemmungen „mit gar schröcklichen Wüsteneien“ berichtet. Dr. Gattermayr konnte erheben, dass Ende des 15. Jahrhunderts „der Gerlosbach einen Großteil des Dorfes sowie Wiesen und Felder vermurt hat“. Möglicherweise bildete dieses Ereignis den Zeitpunkt, zu dem sich der Gerlosbach eine neue Fließstrecke gesucht hatte. Dieses Gewässer mündete nämlich ursprünglich nahe dem Anwesen „Lechen“ in den Ziller. Weitere Großereignisse fanden 1559, 1597 und 1598, im 17. Jahrhundert zweimal, im 18. Jahrhundert sechsmal, im 19. Jahrhundert beachtliche zwanzigmal und im zwanzigsten Jahrhundert zehnmal statt. Das in Chronikunterlagen am ausführlichsten dokumentierte Hochwasser ist jenes des Jahres 1956; es ist das letzte, welches große Sachschäden und darüber hinaus auch Menschenleben forderte. Dass gegenwärtig bei länger anhaltendem Starkregen nicht mehr, so wie in der Vergangenheit, um Gut und Leben gebangt werden muss, ist der in den 1960er Jahren erfolgten Zillerregulierug (Grundlage: Wasserwirtschaftlicher Rahmenplan), der Verbauung zahlreicher Wildbäche sowie der effektiven Wirkungsweise der im Ziller-Einzugsgebiet befindlichen Kraftwerksanlagen des Verbund – Konzerns zu verdanken.